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Was hat die Bortfelder Tracht mit der Biker-Kutte zu tun?

Biker. Foto: Yvonne Salzmann
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Das Projekt „EinTRACHTEN“ der Braunschweigischen Landschaft führt von der Tradition in die Moderne.

Trachten haben historisch die Zugehörigkeit zu Ständen, Berufen oder Regionen verdeutlicht. Bis heute gibt es Gruppen, die diese Traditionen weiter pflegen. Es gibt wohl eine gewisse Sehnsucht nach überlieferter Kleidung. Anders sind die „Krachlederne“ für Männer und die Dirndl für Frauen während der Oktoberfeste kaum zu erklären. Kleidungsstücke als äußere Erkennungszeichen für eine besondere Einstellung sind vielen bis heute wichtig und deswegen keinesfalls aus der Zeit gefallen. Nur als „Tracht“ würden sie das wohl eher nicht bezeichnen. Dabei sind die Motive durchaus vergleichbar: Es geht um Symbolik, Abgrenzung und Individualität. Auf diese neue Spur hat sich das Projekt „EinTRACHTEN!“ der Braunschweigischen Landschaft begeben.

Fotoprojekt ist der Anfang

„Über Jahre hatten wir den Wunsch, ein gemeinsames Projekt mit den Trachten- und Tanzgruppen des Braunschweiger Landes zu entwickeln. Unterstützt von Vereinen, Museen und vielen Ehrenamtlichen begann eine Schatzsuche nach Kleidungs- und Ausstattungsstücken, die man so nur hier in der Region findet. Zusammengekommen ist eine stattliche Sammlung an Formen, Farben und Materialien, die im Rahmen unseres mehrjährig angelegten Projekts dokumentiert, analysiert und schließlich neu interpretiert werden. Die aktuell vorliegende Fotoreihe ist also erst der Anfang von EinTRACHTEN!“, erläutert Anna Lamprecht, Geschäftsstellenleiterin der Braunschweigischen Landschaft.

Eine kleine Provokation

Beim „Tag der Tracht“ des Landestrachtenverbands Niedersachsen im Museumsdorf Hösseringen sorgte die Fotoausstellung zunächst für Irritation, weil sie den anderen, den modernen Blick auf Trachten und ihre neue Bedeutung legt und wagt. Motorradfahrer, Fußball-Fans, Karnevalisten oder eben die klassische Trachtengruppe wurden von den hiesigen Fotografinnen Yvonne Salzmann und Nina Stiller sowie den Fotografen Ali Altschaffel und Sascha Griese symbolhaft in den Fokus gerückt. „In dem eher traditionell geprägten Umfeld der Veranstaltung war die Ausstellung schon eine kleine Provokation und wurde kontrovers diskutiert, aber sie öffnete Horizonte“, berichtet Produkt- und Modedesignerin Julia Eschment, Gesamtleiterin des Projekts. Am Ende waren die mitgereisten Biker mit ihren Kutten, zugegeben als Exoten in diesem Kreis, mittendrin statt nur dabei. Die künstlerische Leitung für das Fotoprojekt „EinTRACHTEN!“ hatte Yvonne Salzmann.

Ausstellung und Katalog

Bäuerin aus Bortfeld. Foto: gemeinfrei

Bäuerin aus Bortfeld. Foto: gemeinfrei

Mit dem Gesamtprojekt soll, von der „Bortfelder Tracht“ ausgehend, erkundet werden, welche traditionellen oder historischen Kleidungsstücke im Braunschweiger Land existierten und noch existieren. Gleichzeitig wird erforscht, welchen Einfluss sie auf die regionale Identität haben. Die Ergebnisse werden im kommenden Jahr in einer großen Wanderausstellung, begleitet von einem Katalog, zu sehen sein. Erstmals wird die Ausstellung am letzten April-Wochenende des nächsten Jahres auf dem Magnikirchplatz zu sehen sein. Sie besteht aus zwei Teilen, einem für draußen und einem für drinnen. Beide Teile können von Mai 2022 an ausgeliehen werden. Leihanfragen sind an die Geschäftsstelle der Braunschweigischen Landschaft zu richten.

Bauer aus Bortfeld. Foto: gemeinfrei

Bauer aus Bortfeld. Foto: gemeinfrei

Die „Bortfelder Tracht“ ist die bis heute wohl bekannteste Tracht aus dem Herzogtum Braunschweig. Die Tradition pflegt in einzigartiger Weise die Volkstanz- und Trachtengruppe Bortfeld. Die Tracht der Frauen besteht aus einem wadenlangen roten Rock mit einem grünen Streifen. Dazu werden eine Schürze und eine weiße Bluse getragen. Die Bortfelder Männertracht besteht aus einem weißen Leinenmantel mit rotem Futter, Dreispitz und Kniebundhose. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts fuhren die Bortfelder in ihren Trachten nach Braunschweig, um dort ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu verkaufen. Mit unterschiedlichen Details je nach Dorf (zum Beispiel Waggum) ausgestattet war die Tracht weit verbreitet im Braunschweiger Land.

Erweiterter Blickwinkel

Julia Eschment hat die Erfahrung eines vergleichbaren Projekts aus Schaumburg mit eingebracht. Dort gipfelte „NeubeTrachten“ in einer Kollektion für Schaumburger Gästeführerinnen und -führer. „Im Gegensatz zu Schaumburg ist die traditionelle Bortfelder Tracht in Braunschweig allgemein kaum bekannt. Deswegen haben wir hier einen neuen und nicht nur den traditionellen Ansatz gewählt, um weitere Gruppen in das Thema miteinzubeziehen. Herausgekommen ist ein spannendes Projekt mit einem erweiterten Blickwinkel auf Trachten“, erläutert Projektleiterin Julia Eschment.

Die althergebrachten Trachten und die „neuen“ Trachten wie zum Beispiel die Kutten der Biker, die Utensilien der Fußball-Fans oder die Kluft der Punks eint aus Sicht von Julia Eschment der Ansatz, dass „Kleidung mehr ist als nur Stoff.“ Trachten sind heute wie damals Erkennungszeichen für Herkunft und Einstellung, verdeutlichen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die sich schon äußerlich  abgrenzen möchte. Trachten sind, so meint die Modedesignerin, auch ein Statement für Wertschätzung von Kleidung, für Nachhaltigkeit und gegen die Wegwerf-Gesellschaft.

Trachten. Foto Sascha Griese

Trachten. Foto Sascha Griese

 

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