Zu Besuch im Schloss Fürstenberg
Per Bahn und Rad in Braunschweigs alten Weserdistrikt nach Fürstenberg und ins UNESCO-Welterbe Corvey.
Anfassen erlaubt! Was in Museen sonst strikt verboten ist, darf man im Porzellanmuseum Schloss Fürstenberg gerade tun: die feinen Teller und Tassen anfassen, nach eigener Wahl zusammenstellen und den Tisch damit decken. Tatsächlich ist Porzellan bei aller Zerbrechlichkeit nichts bloß zum Angucken, es will gestreichelt sein. Und man wird sofort spüren, dass das gute Fürstenberger sich besonders weich und glatt in die Hand schmiegt, kein Scherz!
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 14.09.2024
Dass es dieses Porzellan gibt, verdankt sich der klugen Wirtschaftsförderung des Braunschweiger Herzogs Carl I., der im 18. Jahrhundert Arbeitsplätze in den ländlichen Weserdistrikt seines Fürstentums bringen wollte. Und dem als aufgeklärtem Barockfürsten an Kultur und Bildung und entsprechender Selbstdarstellung lag. Braunschweig sollte sein eigenes Porzellan bekommen wie die reichen Vettern in Sachsen.
Industriespionage im Barockzeitalter
Das Geheimnis seiner Herstellung, das sogenannte Arkanum, war freilich noch immer ein Politikum. Und so ist die Geschichte der braunschweigischen Porzellanherstellung auch eine von Betrug, Abwerbung und früher Industriespionage.
Und dass dies alles in knappen Worten so überaus anschaulich aufbereitet im aktuellen Porzellanmuseum zu Fürstenberg mitzulesen ist und im Wortsinn fasslich wird, ist wesentlich der Braunschweigischen Stiftung zu danken, die mit ihrer hundertprozentigen Tochter, der Kulturgut Fürstenberg GmbH, das Schloss und Museum seit 2017 restaurierte und betreibt. In diesen Tagen feiert sie ihr 30-jähriges Bestehen.
Die Neukonzeption des Museums setzt auf Klarheit, erklärt Geschichte, Formgebung, Bemalung, Stilepochen und Trends an ausgesuchten Beispielen, da fühlt man sich nicht überfordert, während in der Schausammlung, einem Raum als einzige begehbare Vitrine, dann alles zusammengestopft wurde, was man Schönes aus Porzellan machen kann. Vom hübschen Väschen bis zur aufwendigen Commedia-dell’arte-Figur.
Im Brennofen verunglückte Objekte
So startet man bei der Herstellung, wo es – wie beim Bier – nur um drei Bestandteile geht: beim Porzellan sind es Quarz, Feldspat und Kaolin, die man hier auch in die Hand nehmen kann. In welchem Mischungsverhältnis man das wie lange brennen muss, ist das Geheimnis. Der umgebende Solling war der Energielieferant.
Um ca. 15 Prozent schrumpft das Objekt beim Brennen. Je dünner und lichtdurchlässiger die Stücke sind, umso feiner. An der letzten Station, der Schauwerkstatt unterm Dach, sieht man auch mal ein paar im Ofen verunglückte Objekte: einen verzogenen Teller oder ein in sich zusammengebrochenes Pferd.
Das Niedersachsenross ist übrigens bis heute als Gastgeschenk der Landesregierung beliebt – die weiterhin bestehende Fürstenberger Porzellanmanufaktur in der Nachbarschaft gehört dem Land Niedersachsen. Stundenweise führen Mitarbeitende im Schloss das Modellieren und Bemalen vor. In den Ausstellungsräumen gibt es natürlich auch historische Schaustücke unter Glas: das vergoldete Service der Goethezeit ebenso wie die unfassbar bunten Schokoladenkannen für den amerikanischen Markt und das flotte schlanke Kaffeekännchen aus den 50ern.
Selber den Tisch decken mit feinem Porzellan
Dann wieder Stilkunde zum Anfassen als Spiel: Wer die richtige Tasse zum richtigen Teller stellt und nicht Rokoko mit Jugendstil mischt, bekommt Signal. An anderer Stelle dürfen die Besuchenden der festlichen Barocktafel in der Vitrine eine selbst aus dem Regal zusammengestellte entgegensetzen, da gibt es fantastische Ergebnisse wie beim Kindergeburtstag. Und sehr schön die kleine Videoschau, bei der die projizierten Dekore auf den echten Vasen tanzen.
Das Fürstenberger Porzellanschloss ist ein Museum, das Spaß macht. Aber es liegt damals wie heute etwas entfernt vom Braunschweiger Mutterland. Deswegen bietet es sich an, aus dem Besuch einen richtigen Tagesausflug zu machen – mit Bahn und Rad. Zwar muss man von Braunschweig bis Holzminden mit der Regionalbahn zweimal umsteigen, aber nach zwei Stunden kann man sich dann auf das mitgeführte Fahrrad schwingen und die Weserschleifen entlangfahren gen Höxter.
UNESCO-Erbe Corvey und Hoffmanns von Fallersleben Grab
Schon bald grüßt dann das Westwerk der Stiftskirche Corvey herüber, die wegen ihres original karolingischen Bestands zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Gegen Eintritt ist es zu besichtigen, der sich für das stattliche Schloss, Bibliothek und Garten auf eine ebenso stattlichen Summe von 19 Euro erhöht. Auf dem Friedhof ist das Grab eines anderen Bekannten der Region – aus Fallersleben zu besichtigen: August Heinrich Hoffmann, der Dichter des Deutschlandliedes, war seit 1860 als Bibliothekar in Corvey tätig und starb hier 1874 an einem Schlaganfall.
In Höxter geht es dann auf die andere Weserseite und über Boffzen, dessen Pfarrhaus in Wilhelm Raabes „Hastenbeck“ ebenso eine Rolle spielt wie die Porzellanmanufaktur, rauf nach Fürstenberg. Und nachher auf selber Weserseite wieder zurück nach Holzminden zu Imbiss und Bahn.
Porzellanmuseum Fürstenberg, geöffnet Di.-So. und feiertags 10-17 Uhr, Eintritt 8,50 Euro, Ermäßigte 5,50 Euro. Werksverkauf nebenan 10-18 Uhr.
Die neuen Sonderausstellungen in Fürstenberg
„Hausgäste“: Während der Sanierung des Kestner-Museums in Hannover sind Teile aus dessen Beständen an Fürstenberger Porzellan vom 21. September 2024 bis 2. März 2025 in Fürstenberg zu sehen.
„Scherben zum Glück“: Das Hochzeitsservice zur Vermählung von Victoria Luise und Ernst August zu Hannover wurde erst 1921 fertig, als das Fürstenpaar längst abgedankt hatte. Stücke des 700-teiligen Service aus Nymphenburger Porzellan werden vom 21. September 2024 bis 27. April 2025 in Fürstenberg gezeigt.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 14.09.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article407233746/braunschweiger-porzellan-zu-besuch-im-schloss-fuerstenberg.html